Die
starkfarbigen Gemälde der dänischen Künstlerin Louise Thygesen entführen den Betrachter
immer wieder in zauberhafte Landschaften: zu geheimnisvollen Seen und Flüssen
oder auch ans Meer und immer wieder in verwunschene Wälder. Inspiriert von der
urtümli
chen nordischen Natur Dänemarks, bildet
Thygesen die landschaftliche Vielfalt ihrer Heimat aber nicht einfach nur ab.
Mit ihrem gestischen Pinselduktus zeigt sie Landschaften entweder stark
abstrahiert oder lässt durch die Pinselgesten ganz neue Landschaften entstehen.
Manchmal entdeckt man in diesen Landschaften präzis gemalte figurative Details:
einen Raben, einen knallroten Zug, einen Leuchtturm, eine Brücke, das Teilstück
eines Weges, aber auch Autowracks oder Details aus bekannten Märchen –
figurative Details, die keine bestimmten Geschichten wiedergeben, sondern
Quellen der Inspiration für ganz neue Geschichten sind und unsere Phantasie
herausfordern.
Thygesens Farblandschaften leben von der
Spannung zwischen gegenständlicher Wiedergabe und abstrakten Farbgesten. An
die Stelle der Repräsentation bestimmter Landschaften, tritt die Präsenz der
Malerei selbst. Es entstehen – im
wahrsten Sinne des Wortes – malerische Landschaften; Landschaften, die erst als
Malerei, durch die Ausdrucksgesten der Künstlerin wirklich werden. Die Spur der
malerischen Gesten verleiht den Werken ihre emotionale Natur, spiegelt die
innere Bewegung der Künstlerin und macht die Gemälde auch für unser Gefühl und
unsere visuelle Erfahrung wahrer. Das dynamische Wechselspiel zwischen
Abstraktion und Realistik führt auch zu einer Mehrdeutigkeit, die den Gemälden
eine faszinierende Wirkung gibt. Farbräume öffnen sich und lassen weitere Landschaftsmomente
entstehen. Die Textur der Malerei lädt die Betrachter zu immer neuen
Entdeckungen ein. Gegenständliches wird von Farbgesten durchdrungen oder
überlagert. Abstrakte, unbestimmte Bildbereiche entstehen, die die Landschaft
aber nicht verunklären, sondern eigentlich erst hervorbringen. Die Farbschleier
und Farbwirbel erhöhen die Phantasie. Farblandschaften entstehen, die weniger
dem Wanderer als dem Träumer offen stehen. Die Farbstrukturen ermöglichen
immer neue Assoziationen, lassen nie gesehene Landschaften entstehen, surreale
Landschaften, Landschaften der Träume, rätselhaft und von geheimnisvollem
Zauber durchdrungen, Landschaften voll suggestiver Kraft, die nicht nur dem
sehenden Auge zugänglich sind, sondern vor allem auch dem Auge der Phantasie.
Die Gemälde entziehen sich einer denotativen Bedeutung und eröffnen stattdessen
ein weites Feld an Konnotationen. Der Prozess der Rezeption bleibt offen, immer
neue Möglichkeiten ergeben sich. So machen die malerischen Ausdrucksgesten
Thygesens einmal mehr deutlich: Malerei bildet nicht einfach nur ab, sondern
ist selbst eine Wirklichkeit oder, so formulierte es einmal Paul Cézanne: „die
Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur“. Statt die Landschaften einfach
nur wiederzugeben, lässt sich Thygesen von ihnen zu Bildern voller Lebendigkeit
inspirieren, schafft nicht einfach nur Bilder der Natur, sondern gibt der
Natur ihrer Bilder eine starke emotionale und schöpferische Kraft. Darin besteht
der Sinn der unwahrscheinlich starkfarbigen Ausdrucksgesten der dänischen Künstlerin.
Es geht um wesentlich mehr als um Wahrscheinlichkeit: Thygesens Landschaften
sind visuelle Poesie.
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NST+
L
ITERA
TUR
KULTURVERMITTLUNG
Dr. des. Anette
Ochsenwadel
Kunsthistorikerin/Literaturwissenschaftlerin
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